Die unermessliche Leichtigkeit des Weins

Sie brauchen keinen Vorschlaghammer.

Sie bevorzugen die feine Klinge.

Sie brauchen keinen Vorschlaghammer. Sie bevorzugen die feine Klinge: Grauvernatsch und Schwarzriesling.

Überträgt man den derzeit vorherrschenden Rotweingeschmack auf männliche Körpermaße, dann würde die Welt überwiegend aus Conans und noch viel überwiegender aus Obelixen bestehen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Wenn nicht gleichzeitig die wenigen d’Artagnans dieser Welt als Hungerhaken ab getan würden. Wir möchten eine Lanze brechen für die leichtfüßigen, eleganten, bisweilen poetischen . Und gleichzeitig deren Verehrern Mut zusprechen: Nein, ihr müsst Euch nicht schämen, dass Euer Lieblingswein nicht nach Marmelade und Vanille schmeckt. Ihr könnt sogar aufrichtig stolz sein.

Der Privilegierte unter den Underdogs ist der Grauvernatsch. Der hat eine eingeschworene Fangemeinde unter den Bergwanderern Südtirols. Die haben erfahren, wie er sie mit seiner lebendigen, fruchtbetonten Art nach anstrengender Tour wieder aufbaut und die exquisite Dolomitenküche mit leichter Hand begleitet. Die Südtiroler Kellerei Kurtatsch verfügt über exzellente Weinberge rund um den Kalterersee und erzeugt einen der herausragenden Vertreter seiner Art.

In Württemberg beheimatet ist noch ein weiterer leichtsinniger Wein: der Schwarzriesling. Mit hat der eigentlich nichts zu tun – die beiden verbindet allerdings ihre spielfreudige Art. Einer, der angetreten ist, den Schwarzriesling an die deutsche Rotweinspitze zu führen, ist der junge Frieder Sven Schäfer. Sein mittelgewichtiger, wunderschön zwischen Würze und Beerenfrucht changierender Lauffener Riedersbückele ist eine Benchmark für das Neue Deutsche Rotweinwunder.

Kommen wir zum Poeten unter den Reben. Die Gamay ist die wohl unterschätzteste Traube überhaupt. Schuld daran tragen auch die Winzer im . Deren Primeur ist zwar eine geniale Marketingidee, hat den Gamay aber komplett in die Ecke "easy and fast" gedrängt. Weit gefehlt, wie der Brouilly – eine Cru-Lage im Beaujolais – vom Château de Saint Lager eindrucksvoll unter Beweis stellt: Granitböden, fünfzig Jahre alte Rebstöcke, teils das Terroir betonende Maischegärung, teils fruchtfördernde Ganztrauben-Kohlensäure- Gärung. Nicht Hammer, nicht Schwert, nicht Degen – nein, das ist Florettkunst zum Niederknien.

Gotthard Scholz

(WEIN NEWS März 2014)