Das Gold der Thraker

Bessa Valley Winery

Wenige Rotweine bieten so viel Frucht, Struktur, Tiefe und Komplexität wie die ENIRA-Gewächse. Na klar. Sie kommen ja auch aus Bulgarien.

Wein hat bekanntlich viel mit Image zu tun. Davon besitzen die Weine aus Thrakien im Übermaß – zumindest, wenn man ein paar Jahrtausende zurückgeht. Damals, schon im siebten Jahrhundert vor Christus, als das Bordelais noch Sumpfland und das ein undurchdringlicher Eichenwald war, wurde der thrakische Wein von Orpheus besungen, von Homer bedichtet und war ebenso begehrt wie das legendäre Gold der Thraker. Heute liegt in und das ist imagemäßig vielleicht nicht ganz so optimal. Dem Terroir ist das egal. Es bleibt großartig, auch wenn kein Homer mehr in der Nähe ist. Nicht egal hingegen war, dass den besten Weinbergen über lange Zeit auch die Reben fernblieben. Die wurden in sozialistischer Zeit kurzerhand in die fruchtbaren, leicht zu bearbeitenden Täler verfrachtet. Die Hügel mit den edlen, extraktstoffreichen Böden fielen brach. Erst seit gut zwei Jahrzehnten hat im bulgarischen Weinbau ein Umdenken eingesetzt.

Eines der Vorzeigeweingüter der Thrakien-Renaissance ist die Bessa Valley Winery unweit von Pazardjik, ein Projekt des Grafen Stephan von Neipperg. Der Mann hat eine beneidenswerte Weltläufigkeit und das feine Tuch, in das er sich zu kleiden versteht, zeugt vom Erfolg der sechs -Weingüter, die er zu Ruhm und Ansehen geführt hat. Im Bessa-Tal geht es nicht um feines Tuch, hier leistete Graf von Neipperg großartige Pionierarbeit. Seit 2001 wurden 140 Hektar Weinberge mit besten, kalkhaltigen Sand- und Lehmböden mit , Syrah, und Petit Verdot neu bestückt. Kleinbeerige Klone, Stockdichte, Rebschnitt und alle Arbeiten im Weinberg erfolgen nach St.-Émillion Grand Cru Standard, wie auch die Verarbeitung im Keller und der ausschließliche Ausbau in Barriques. Es dürfte schwerfallen, ein weinbautechnisches Niveaugefälle zwischen den "Enira"-Weinen und den Bordeaux des Grafen zu begründen. Was sie unterscheidet ist zum einen der Geschmack: Die Thraker zeigen sich südlicher, samtiger und zugänglicher. Und zum anderen selbstverständlich das Image. Wir überlassen es Ihnen, ob Sie ausschließlich an Substanz interessiert sind oder doch lieber einen Etikettzuschlag zahlen möchten. Wir jedenfalls haben beschlossen, unsere Kontorgrenzen für diese bulgarischen Top-Gewächse uneingeschränkt zu öffnen.

Gotthard Scholz
(WEIN NEWS Mai 2014)